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Schwerelosigkeit für alle

Benjamin Bachmaier war schon Tausende von Kilometern im Segelflugzeug unterwegs. Heute gibt er seine Expertise in Königsdorf an junge Leute weiter. Er will zeigen, dass der Sport nicht elitär ist – und auch etwas für Frauen, die im Cockpit noch unterrepräsentiert sind.

Drei Müsliriegel, zwei Semmeln, zwei Stück Traubenzucker, ein Urinalkondom und drei Liter Wasser: Benjamin Bachmaier hat genug Erfahrung, um zu wissen, wie viel Proviant er für einen etwa zehnstündigen Langstreckenflug braucht. Die Wasserversorgung ist dabei am allerwichtigsten. Denn wer mehrere Stunden am Stück völlig isoliert im Cockpit durch die Alpen segelt und dürstet, wird schnell unkonzentriert – und das kann fatale Folgen haben. Mentale und körperliche Fitness sei nämlich wichtiger als handwerkliches Geschick beim Steuern, sagt Bachmaier. Etwa drei Entscheidungen trifft ein Pilot pro Minute. Zeit zum Entspannen bleibt wenig. Die meiste Zeit verbringt man damit, das motorlose Flugzeug in der Luft zu halten.

Segelfliegen sei eine anspruchsvolle Sportart, die viel Entscheidungs- und Willenskraft abverlange, schwärmt Bachmaier. Der 30-Jährige muss es wissen, schließlich steuert er schon sein halbes Leben lang Segelflieger. In seiner Jugend, am Segelflugzentrum Königsdorf, erwarb Bachmaier den Segelflugschein – und entwickelte eine Leidenschaft für den schwerelosen Sport. Er beschloss, dass das Fliegen in seinem Leben das wichtigste sein sollte und stellte alle anderen Bereiche hintan. Er habe deshalb viel verpasst, was die Gleichaltrigen so erleben, sei nie mit Freunden wandern oder am See gewesen, erzählt er. Und auch die ein oder andere Beziehung sei wegen der Fliegerei in die Brüche gegangen. Bachmaier blieb zum Studium der Luft- und Raumfahrttechnik in München, weil das Gebirge zum Segeln aufregender ist als das Flachland, „dreidimensionaler“, sagt er – wegen der Geländestruktur. Er verdingte sich als Sportsoldat, was es ihm ermöglichte, durch die Welt zu touren, Segelflugcamps zu besuchen, in Schweden und Australien etwa. Heute entwickelt er Autopiloten-Software für Vermessungsdrohnen – und ist wieder zum Segelflugplatz Königsdorf zurück gekehrt, um ehrenamtlich als Fluglehrer zu arbeiten – und um zu fliegen.

Den Großteil seiner Freizeit verbringt Bachmaier nach wie vor am Flugplatz und in der Luft. Der Zeitfaktor ist aber oft ein Problem, wenn es darum geht, Nachwuchs zu rekrutieren. Viele Flugschüler springen in der Ausbildung ab, weil sie nicht bereit seien, dem Fliegen so viel Platz in ihrem Leben einzuräumen, erzählt er. Viele gingen noch zur Schule und wollten sich lieber auf Ausbildung und Studium konzentrieren. Dafür habe er Verständnis, sagt Bachmaier. Aber auch: „Segelflieger sind Idealisten. Man muss schon dranbleiben, um alles zeitlich zusammenzuhalten.“ Heute ist er mit einer Segelfliegerin zusammen. Irgendwann sei das die einzige Möglichkeit, sagt er und lacht. „Man versteht das Gegenüber und die Leidenschaft fürs Fliegen einfach besser – und warum man so viel Zeit reininvestiert.“

Im Gegensatz zu vielen anderen Segelflugvereinen in Europa hält sich die Zahl der Interessierten in Königsdorf konstant. Das könnte mit dem Einzugsgebiet München zu tun haben, mutmaßt Bachmaier – oder daran liegen, dass der Segelflugzentrum Königsdorf bereits viele junge Mitglieder hat und deshalb ansprechender ist. Die Hälfte der Vereinsmitglieder hätten Familien mit Flughintergrund. Dabei sei Segelfliegen kein Sport, der wohlhabenden Familien vorbehalten und von Generation zu Generation weitervererbt werde. Was viele nicht wüssten: Fliegen sei nicht teuer, sagt Bachmaier. Etwa 1500 Euro koste der Sport im Jahr. Das zu vermitteln, sei eine der Herausforderungen für die Vereine.

Mit dem weiblichen Nachwuchs tun sich die Königsdorfer aber noch schwer – hier reihen sie sich in den internationalen Vergleich ein. Viele Frauen beginnen den Segelflugschein, ohne ihn dann abzuschließen. Warum, kann sich Bachmaier nicht erklären. „Wir haben ein Diversitätsproblem ohne konkrete Lösungen“, sagt er. Auch eine Frauenbeauftragte im Verein als Ansprechpartnerin konnte die Situation nicht verändern: Fliegen ist nach wie vor männlich dominiert, auch in Königsdorf. Bachmaier vermutet, dass der Sport zwar keine Frage des Geschlechts, wohl aber immer noch eine Frage der Sozialisation ist.

Dabei ist der 30-Jährige überzeugt davon, dass Segelfliegen zeitgemäß, sogar zukunftsträchtig ist. Da wäre zum einen der Faktor Umwelt: Die Klimabilanz des Segelfliegers sei unschlagbar, sagt Bachmaier. Zum Outdoor- und Abenteuerfaktor kämen die unbeschreiblichen Erlebnisse in der Luft, die den Sport so besonders machten. Wer den Flieger durchs Gebirge steuere, treffe ab und zu auf Steinadler, sagt Bachmaier. Die starteten oft Scheinangriffe auf das Segelflugzeug, unbeeindruckt von der Spannweite des Fliegers, um ihr Revier zu verteidigen. Als Pilot erweise man den Greifvögeln dann Respekt und verlasse ihr Revier. Mit anderen Vögeln fliege es sich ohnehin harmonischer: Störche etwa suchten wie die Segelflieger auch die Thermik. Man fliege dann einfach zusammen. Quelle: ‚Süddeutsche Zeitung‚.

Erstaunlich starke Steigwerte im schwachen Föhn.

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Bruno Haller zirkelt den Duo Discus XL federleicht die Hänge östlich des Skigebietes Flims-Laax bis zum Segnes-Kessel hinauf.

Am letzten Februar-Samstag 2016 verspricht die Windprognose einen fliegbaren Tag mit einem leichten Südwind auf 2’600 Metern von ca. 25 Knoten, der den ganzen Tag über in den Luftschichten über 2’000 Metern anhalten soll. Bruno Haller und ich wollen ihn für ein paar erste Flugstunden in der neuen Saison nutzen – die Wetteroptik am Flugplatz zaubert aber allen andern Anwesenden ausser uns vor allem ein skeptisches Fragezeichen ins Gesicht. Nach einer ausführlichen Besprechung der heutigen Möglichkeiten machen wir den schplintenneuen Duo Discus XL D-9195 der SG Lägern startbereit und machen uns kurz vor Mittag auf den Weg.

Der Tag hält, was die Prognose versprochen hat und lässt uns sanft die Hangwind-Systeme an den Churfirsten und im Prättigau erkunden. Aber auch der Transfer gegen den Wind über Davos und die tiefen und ‚runden‘ Kreten des Schanfigg gelingt einwandfrei. Auf der Nordseite beim Mattjischhorn können wir sogar auf einer Hochebene eine ganze Menge Kite-Skifahrer beim Flitzen über die Schneeflächen beobachten. Das sind gute Aussichten für einen tiefen Anfang an den Hängen des gegenüberliegenden Calanda mit seinen Wölfen. Dort hangeln wir uns über den gleissend hellen Schneeflächen von Krete zu Krete, bis uns westlich von Brigels Schneeschauer den weiteren Weg Richtung Disentis versperren. Hier ist deutlich mehr Thermik als dynamischer Aufwind zu spüren.

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Im Vorderrheintal ist schwache Thermik stärker spürbar als der Hangwind-Effekt des leichten Südwindes.

Interessanterweise fallen wir dann nach dem Queren des Panixerpasses in einen starken Rotor über der Skihütte Obererbs. Seit Ruedi Wissmann nicht mehr dort seine Gäste bewirtet, finde ich die Rotoren spürbar besser 🙂

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Immer wieder imposant: der ‚Wasserfall‘ des Südstaus am Haupt-Alpenkamm. Hier der Blick aus dem Elmer Kessel nach Südwesten, in der Bildmitte der höchste Glarner – der Tödi. Bild: Bruno Haller.

Der Rotor über dem dem Waffenplatz Elm wirft uns zusammen mit einem eindrücklich grossen Steinadler (die fliegen offenbar manchmal auch nur zum Vergnügen) mit Spitzenwerten von fünf Metern pro Sekunde ein paar Etagen höher. Wir werden auf unserem Weg ins Schächental noch in einen stärkeren Rotor einfliegen. Dort spicken uns mehr als 10 Meter pro Sekunde starkes Steigen gleich 1’000 Meter höher. Bis ich aber die Freigabe der ATC Zürich für weiteres Steigen in den A9 hinein erhalte, falle ich vor lauter Zuhören des endlosen Samstagnachmittag-Geplappers auf dieser Frequenz leider bereits wieder aus der Welle… und finde sie nachher auch nicht mehr, als ich endlich höher hinauf dürfte.

Auch die Flumserberge überraschen uns auf dem Heimweg via Klosters mit einer Welle, die trotz des schwachen Südwindes von weit unten heraus erstaunlicherweise bis sieben Meter Steigen pro Sekunde produziert.

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Wir beschliessen den gemütlichen ‚Föhnchen-Tag‘ (es braucht für einen schönen Wellenflug nicht immer ein Orkan mit Windgeschwindigkeiten von 120 km/h auf 3’000 Metern zu sein) mit einer Abschlussrunde ins Prättigau, wo wir spasseshalber in engen Wenden nochmals die senkrechten Rhätikon-Wände hinaufturnen, bevor wir nach fast sechs Stunden Hang- Rotor- und Wellenfliegens frühzeitig vor dem Eindunkeln mit einem zufriedenen Gefühl im Bauch wieder in den Kaltluftsee über der Linthebene eintauchen und auf dem Flugplatz Schänis landen. Ein gelungener Start in die frische Flugsaison auf einem tollen, topausgerüsteten und sehr leisen Fluggerät.

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Hier sind die Flug-Details. In der Foto-Galerie finden Sie alle Aufnahmen des Fluges und die nachfolgende Grafik ist die (zutreffende) Windprognose des Vortages:

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Geburtstags-Ausflug im Föhn.

Am 9. Oktober 2014 darf ich – weil’s mein Geburtstag ist – einmal machen, was ich am liebsten mag: Segelfliegen (meine Chefin hat mir frei gegeben!). Weil schon die ganze Woche über mehr oder weniger der Südwest durch die Täler pfeift, passt alles zusammen: ein freier Tag, ein tolles Segelflugzeug und ausreichend Wind, um ein Weilchen in der Luft zu bleiben.

Für das, was ich heute vorhabe, reicht es auch, am späteren Vormittag in die Luft zu kommen, da sind keine Nachtübungen im Scheinwerferlicht meines Opeli und Wasserspiele in der Dunkelheit nötig. In aller Ruhe fahre ich zum Briefing nach Schänis, Flieger montieren ist zusammen mit Peter Zweifel als Gast aus Winterthur bald erledigt. Wasser in die Flächen füllen, dauert schon länger, irgend ein Spassvogel hat den sonst vorhandenen, langen Wasserschlauch bereits weggeräumt, vermutlich aus Angst, er friere ein oder jemand nehme ihn womöglich noch mit.

Heute sportlich.
Auf der Südseite unseres Hausberges wird ‚cinque’ schon in wenigen Kurven über den Gipfel hinaus getragen. Für einmal wähle ich heute die sportliche Start-Variante. Die wende ich an, wenn der Föhn schon tief in die Täler greift und man bei Ziegelbrücke eigentlich vom Boden weg dem Hang entlang klettern kann (extrem-sportliche Variante). Die unsportliche Variante wäre ein hoher Schlepp auf 2’400 Meter hinauf, mit anschliessendem Direktflug an die obersten Kreten der Churfirsten (die Ostseite des Sichelchamm ist eine der ersten Stellen, die im Südwind trägt). Das ist dann die richtige Methode, wenn der Föhn beginnt, von oben Schicht um Schicht ‚abzuhobeln’ und erst an einzelnen Stellen (bei uns im Zigerschlitz ist das Mitlödi, Glarus und Ziegelbrücke) bis in die Täler durchgreift. Noch unsportlicher wird der Schlepp, wenn der Föhn erst aufbaut und nur an den Föhn-Hotspots im Urnerland (Eggberge, Läged Windgällen, Schächental), in den Glarner Alpen (Sernftaler-Nord-Kreten, Engi, Elm) und natürlich im Rheintal (Schesaplana, Vilan) spürbar ist.

Erkundungsflug.
Heute habe ich mir vorgenommen, die verschiedenen Hang- und Wellensystem etwas genauer zu erkunden. In die Region Arlberg und weiter das Inntal hinunter sieht die Windprognose nicht sonderlich gut aus. Zuviel Südwest-Anteil. Und östlich Achensee fast kein Wind mehr und wenn, dann parallel zu den Hängen. Das mag ich nicht besonders. Deshalb fege ich im Geradeausflug den Luvkanten entlang bis in die Silvrettagruppe. Eigentlich wäre es cool, wenn man von hier aus alles nur im Hangflug ins Wallis gelangen könnte. Die Feuchtigkeit im Vorderrheintal ist allerdings etwas hoch für einen Durchflug in Andermatt. Bis nach Flims gelingt das Vorhaben allerdings wunderbar. Ich kann am Flüela, am Weissfluhjoch und in den Fideriser Heubergen problemlos im Hangwind bis nach Chur schleichen. Nicht sehr schnell, aber ohne Kreiserei, ohne Turbulenzen. Am Churer Joch steht sogar noch eine schwache Welle, die ich aber weglasse, weil ich ja im Vorderrheintal sowieso unter die Wolken will. Da hilft es nicht, über der Bündner Hauptstadt auf 4’000 M.ü.M. zu steigen, nur um danach mit Vollgas unter die Wolken tauchen zu müssen. Die Übersicht geht dabei verloren.

Unverhofft in eine unbekannte Welle.
Herrlich ist es dann, am Flimserstein und am Ringelspitz die Hänge hochzuturnen und den Flieger wie einen Drachen steigen zu lassen. Die Region erinnert mich immer etwas an den Pic de Bure. Auch hier ist die Vegetation ähnlich karg, die Optik wird von kahlen, glatten Kalkwänden dominiert, die im flachen Herbstlicht fast weiss scheinen. Dann ‚falle’ ich über dem Segnes-Kessel unverhofft in eine starke Welle. Ich erhalte von ZRH Info gerade rechtzeitig für 30 Minuten eine Freigabe bis 4’600 Meter hinauf, bevor ich in den Luftraum C hinaufgetragen werde. Die Luftwaffe beginnt um 13.30 ihren landesverteidigenden Dienst, aber solange darf ich noch steigen. Das Problem dabei ist, dass ich so nicht ins Vorderrheintal komme, weil ich von oben durch die Wolkendecke der Staubewölkung tauchen müsste. Und aus diesem flachen Winkel knapp über den Wolken sind keine Löcher erkennbar und höher darf ich nicht steigen, um mehr Überblick zu bekommen. Eben wegen der sonst sehr geschätzten Luftwaffe.

Also entscheide ich mich ‚halt’ für die Primärwelle in Elm und fliege den steigenden Ast ab bis an den Spannort bei Engelberg. Das ist ähnlich wie Motorfliegen, nur durchgeschüttelter. Ich verliere allerdings kaum Höhe bei der Übung und finde mich nach kurzer Zeit vor den geschlossenen Toren des Meiringer Luftraumes wieder. Zwei FA-18 pfeifen direkt nach dem Start über mich hinweg an den Titlis, bevor ich mich für eine Durchfluggenehmigung zwischen die Funksprüche der startenden Jets hindurchzwängen kann. Aber es reicht, bei Gadmen habe ich die Genehmigung für den Flug an die Engelhörner.

Freigaben und die davon abweichende Realität in der Luft.
Das Problem ist nun, dass der Controller mir eine Freigabe bis an die Kleine Scheidegg erteilt. Da kann man zwar hin, aber nur, wenn man das will. Ich habe immer grösste Mühe, mir in der blauen Luftmasse hinter den Berner Eisriesen ein Wellensystem vorstellen zu können (und das dann auch noch zu treffen). Zudem ist das eines ohne ernsthaft brauchbare Auffanglinie, sieht man vom Jura einmal ab. Und dass Eiger & Co. eine gewaltige Leewelle produzieren (da geht’s ja nicht nur hinauf, sondern mindestens so schnell auch bergab), braucht man nicht zu erwähnen. Ich überlege, ob ich im Südwest den Hängen entlang an den Grimsel fliegen soll, um dann ins Goms und an die auch hier tief in Staubewölkung steckende Nordkrete des Wallis zu wechseln. Irgendwie verlässt mich dann aber vor lauter Aufwindsuchen, Freigaben verlangen usw. der Mut und ich fahre etwas kleinmütig wieder zurück an die angeströmte Kette zum Titlis und hinaus aus dem kontrollierten Meiringer Luftraum. Für den Rückweg wechsle ich über der Sustlihütte und dem Wichelplangg, einem meiner früheren Kletterberge, ins Meien- und später ins Maderanertal. Dahinter steckt die Idee, einen Durchgang nach Andermatt oder das Vorderrheintal zu finden.

Im Maderanertal in den Wasserfall.
Die Schächentaler Windgällen sind nicht nur für Bergsteiger eindrückliche Kalkspitzen. Auch für Föhnflieger ist es gewaltig, an der Südseite die steilen Wände hochzuturnen. Ein Blick in die aus Süden anstürmenden Wolkenmassen lässt einzelne Lücken zwischen Oberalpstock und dem Chrüzlipass erkennen. Dahinter ist die Luft trocken. Also nichts wie hin. Bis kurz vor den Oberalpstock kann ich sogar noch von steigender Luft profitieren, es scheint, als ob das Wagnis gelingen würde. Dann falle ich aber kurz vor den steilen Wänden mit dem Staldenfirn ‚in den Bach’. Der spült mich rasch 500 Meter hinunter. Der Bristenstock und der Chrüzlipass steigen blitzig neben mir hoch – keine Chance – ich muss zurück an die Windgällen. Immerhin eine wichtige Erkenntnis habe ich bei diesem Versuch aber gewonnen: ich wäre auf der Luvseite das Vorderrheintal bis an den Oberalp und an die Furka durchgekommen. Einfach tief und mit den Gipfeln in Wolken – aber es geht. Jänu – dann fliegen wir halt wieder über den Klausen und Elm zurück ins Prättigau. Dieser Teil des Fluges ist weniger spannend, die Turbulenzen im Schächental, über dem Urnerboden und vor allem südlich des Kärpfs sind bekannt.

Mords-Rotor über Obererbs.
Genau da, wo unser Fluglehrer Ruedi Wissmann viele Jahre während der Sommermonate als Hüttenwart gewirkt hat, knetet es mich noch einmal richtig durch. Ich versuche in wilden Manövern, einen Rotorfetzen über mir auszukreisen. Nach ein paar Versuchen und immerhin ein paar hundert Höhenmetern Gewinn gebe ich das Unterfangen aber auf. Hier sitzt teilweise der Herr Zufall am Steuerknüppel, nicht immer der Herr Pilot. Mehrmals zeigt die Flugzeugnase entweder direkt in den Himmel oder dann direkt auf das Gelände tief unter mir – beides fühlt sich ungewohnt an. Die Ruderwirkung ist teilweise lamentabel. Obwohl ich den Knüppel voll nach rechts ausschlage, dreht der Rotor ‚cinque’ voll auf die linke Seite. Fahrt- zu und Abnahmen von 50 km/h sind auch nicht gerade das, was ich gerne mag. Ein abendlicher Blick auf die Karte erklärt das Phänomen. Bei Südwest liegt diese Stelle in Windrichtung betrachtet exakt ‚hinter’ dem hohen Gipfel des Hausstocks, kein Wunder dreht die Luftmasse da wie ein grosser Tumbler.

Erstaunlicher Unterschied.
Ich mag es eigentlich lieber gemütlicher und verlasse den ‚ugattligä’ Elmer Kessel, wie ich gekommen bin. Über die Tschingelhörner und wieder ins Rheintal. Erstaunlich ist der Unterschied im Flugstil. Ruhig trägt der Hangwind an Ringelspitz, Calanda, Churer Joch, Fideriser (Skitouren)-Heuberge und hinauf nach Davos an den mit Technik vollgepackten Weissfluh-Gipfel.

Einfach berauschend.
Ab jetzt geniesse ich meinen Geburtstagsflug wie ein Senior im Lehnstuhl und steige in St. Antönien in die (schwache) Prättigauer Welle, die mich bei Landquart und mit einer Freigabe bis FL 200 (!) – ja, die Luftwaffe hat nach 16.00 Uhr Feierabend – bis auf 4’500 Meter hinauf trägt. Danach teste ich noch das Sekundär-Wellen-System über dem St. Galler Oberland und dem Glarnerland, das mich erneut fast wie im Motorflug bis ins Riemenstalden-Tal trägt, ohne dass ich enorm viel Höhe für die Strecke gebraucht hätte.

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Trotz der Spiegelungen im Cockpit immer wieder ein unglaubliches Bild: Flug entlang der aus Süden anstürmenden Wolkenmassen.

Die Natur bietet noch einmal alles auf. Die aus Süden anstürmenden Wolkenmassen tauchen ins fahle, flache Herbstlicht, der Blick reicht weit über die ganze Deutschweiz, in den Schwarzwald, deutlich über den Bodensee hinaus nach Norden. Diese wunderschönen Geburtstags-Flug-Bilder werde ich den bevorstehenden Winter über im Kopf behalten – sie sind eine Motivation, dieses unglaublich schöne Hobby so lange es geht, zu pflegen. Wenn es sein muss, künftig sogar mit einem extra in den Instrumentenpilz eingebauten Transponder – daran darf es künftig nicht mehr scheitern, wenn man hoch hinaus und dorthin fliegen, wo der Pilot – und nicht der Controller will.

Für die Experten (also alle): Link auf die Flugdetails.

Schlacht bei Näfels auf 4’000 Metern.

Lässiger Flug am ‚Glarner Nationalfeiertag‚ mit Beat Häni in unserem Superschiff Arcus M im schwachen Südwind über den Zentral- und Ostschweizer Alpen.

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Kantonales Arbeitsverbot
1388 hat eine Handvoll tapferer oder vermutlich eher verzweifelter Glarner mit Hilfe einer zweiten Handvoll hilfsbereiter Schwyzer den Habsburgern als damalige Besatzer mit etwas Kriegsglück an der Rautiwand bei Näfels gezeigt, wo für sie der Heimweg durchführt. Dank diesem historischen Sieg (beim Skifahren zeigen sie heute den Speed-Cracks von Swiss-Ski ja meistens, wo der Heimweg ist) sind wir heute hier in der Gegend keine Vorarlberger – was aber auch auszuhalten wäre. Im Gedenken an das damalige gewalttätige Ersäufen der Habsburger Ritter in ihren schweren Rüstungen im Flüsschen Maag ist seither der erste Donnerstag im April schulfrei und es herrscht ein striktes Lastwagen-Fahr- und Arbeitsverbot. Also sind das eigentlich ideale Segelflug-Voraussetzungen – wenn auch etwas früh in der Saison.

Diese Ausgangslage machen wir uns heute zunutze und nehmen in freudiger Erwartung und voller Hoffnung, dass bei den unerwartet dichten Cirrostratus-Wolken zwar keine Thermik, aber mit etwas Glück etwas Südwind zu finden sein müsste, im Arcus M Platz und starten zum Föhn-Hotspot Wiggis. Danach läuft der Flug wie im Föhn-Lehrbuch ab.

Bis Guttannen den Hängen nach.
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Via Glärnischmassiv, Braunwald, wo unser Hanspeter Geier in seinen wilden Bergsteigerjahren am Grossen Eggstock eine windige Erstbegehung machte, dem Urnerboden, dem immer gleich turbulenten Schächental und dem Kessel von Engelberg erreichen wir Guttannen im Berner Oberland. Immer brav begleitet von allerlei Funkverkehr und Freigaben durch die verschiedenen Militär-CTR’s. In Gipfelhöhe schwingt der Südwind über die Kreten, das oberste Drittel der Gipfelzonen trägt schwach, aber zuverlässig. Unverkennbar ist auf der Frequenz von Züri-Delta die markante Stimme von WB zu hören, der ebenfalls mit seinem grossen und in der Luft gut sichtbaren Doppelsitzer im Südwind unterwegs ist und den wir am Titlis kreuzen.

Der zweite Teil des Fluges führt der Primärwelle und zumeist den Kreten entlang in den Elmer Kessel. Da ist in der gut geschüttelten Luft (zwischen Kärpf und Hausstock fliegt mir im hinteren Cockpit alles, was nicht angeklebt ist, um die Ohren) am ehesten wellenartiges Steigen zu finden. Wir dürfen allerdings nicht höher als 3’900 Meter steigen, obwohl wir artig unseren luxuriösen Transponder extra in Betrieb nehmen. Beim Einstellen des Gerätes fällt man allerdings rasch einmal aus den dünnen Wellenaufwinden, womit man den Transponder eigentlich auch schon wieder nicht mehr bräuchte, weil das Flugzeug dann leider nicht mehr weitersteigt.

Schwächere Verhältnisse über den östlichen Schweizer Alpen.
Interessant ist später die Segelfliegerei im Prättigau. Die Windvorhersagen hatten schwachen Südwind nur bis zur Schweiz-/Österreichischen Grenze vorhergesagt (ist ja klar, am Gedenktag der Schlacht bei Näfels). Die Prognose war absolut richtig. Die sonst zuverlässigen Kreten des Rhätikon und an der Madrisa tragen uns nicht wirklich lustvoll und nicht konsistent an denselben Expositionen in die Höhe, dank der überragenden Flugeigenschaften des Arcus erreichen wir aber auch nach längerem aufwindfreiem Flug auch so wieder problemlos die bisher funktionierenden Steig-Zonen an den senkrechten Wänden der Drusen- und Sulzfluh und später an der Schesaplana. Beat zirkelt den Arcus M in kürzester Zeit elegant und sportlich vom imposanten Wandfuss auf Kretenhöhe.

Abfang-Übung?
Auf der Rückreise warnt uns dann die ATC-Controllerin über der Region Pizol dank unseres Transponder-Signales vor einem Tiger F5, der sich uns aus der neun-Uhr-Position nähere. Aber bevor wir den Militärjet trotz mehrmaligem Hals-Verdrehen überhaupt erkennen, ist er schon hinter uns durchgepfiffen. Ob wir da einen Augenblick das Ziel einer kleinen Luftpolizei-Übung gewesen sind oder ob einfach Beats Nachfolger ihrem früheren Staffelkapitän einen luftigen Anstandsbesuch abgestattet haben?

Schattendasein.
Obwohl wir den ganzen Tag keinen einzigen Strahl Sonne erwischt haben (da braucht man wenigstens keine Sonnencrème) und mir nach fünf Stunden auf dem hinteren Sitz langsam die Füsse taub und kalt werden, können wir im dynamischen Hangwind ein nettes Saison-Eröffnungs-Flügli zusammen machen. Das hat gleich beiden gut getan. Beat, weil er lange nicht fliegen konnte und mir, weil ich nach einem ganzen Winter mit Eigenstarter-Ausbildungen und Arcus-M-Umschulungen endlich auch einmal länger in diesem Wundervogel sitzen durfte und von Beat beim raschen Auffinden lokaler Wellen und beim Auskreisen kurzer Wellen (mache ich selber eigentlich nie so) noch ein paar interessante Methoden gelernt habe – machen wir bei nächster Gelegenheit gerne wieder einmal!

Link zur Foto-Galerie und zu den Wetterangaben.

‚Alles Walzer!‘ – bis an den Rand der Alpen.

Perfekt orchestriertes Flugabenteuer bis vor die Tore Wiens.

Mittwoch, 15. Mai 2013. In Schänis sind an diesem Tag soviele Tausend-Kilometer-Flüge gemacht worden wie vorher in der ganzen Geschichte unseres Flugplatzes nicht. Roland Hürlimann vollendet seinen seit Jahren angestrebten Traumflug an die Rax vor Wien. Frigg Hauser macht auf der gleichen Strecke ebenfalls seinen ersten Tausend-Kilometer-Flug. Und mit Markus von der Crone habe ich heimich abgemacht (er weiss das nur noch nicht), dass wir jedes Jahr wie früher der Stab-Hochspringer Sergei Bubka ein paar Zentimeter dazu zu legen … so kann man jedenfalls unsere Flugauswertungen interpretieren, die wie Zwillinge kaum auseinanderzuhalten sind, obwohl wir weite Strecken unabhängig voneinander unterwegs waren. Jedenfalls war es für uns beide innerhalb eines Jahre schon der zweite gemeinsame Tausender. Diesmals war der unbekannte Osten dran und der Flug hat uns bis ans Ende der Alpen geführt.

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Fantastische Perspektive: Blick über das Ennstal Richtung Dachstein.

Richtige Wetter-Zutaten für ein elegantes Flug-Menu.

Schon am Sonntag schrillen bei mir die Föhn-Alarm-Glocken. Für Mittwoch passen die Wetter-Vorhersagen wie selten. Eine schwache Föhnlage mit maximalen Speeds in der Grundschicht von 40 km/h. Kleine Druck-Differenz von ca. 6 Hectopascal. Aber dafür stimmt die Windrichtung: Süd. Eine Herausforderung ist allerdings, dass der Südwind bis ca. 11.00 Uhr ’nur‘ bis in die Region Leoganger Steinberge wehen soll und weiter ostwärts aus westlicher Richtung und noch schwächer blasen dürfte. Das heisst, es bringt nichts, wenn wir in aller Frühe starten. Weil wir ‚dem Föhn davonfliegen‘ und dann in der erwähnten Region stecken bleiben und zu früh für den Thermik-Beginn am falschen Ort parkiert werden. Ein Ausweg wäre eine erste Flugstrecke nach Westen – wir sind aber alle noch vom letzten Jahr ausreichend durchgeknetet und verzichten gerne auf die ruppigen Zentralschweizer Walzen. Ausserdem liegt der Reiz der Föhn-Streckenfliegerei nicht im JoJo-Fliegen sondern im Geradeausflug. Also auf nach Österreich: lieber Walzer als Walzen.

Gut eingespieltes Team

Am Montag steigt die Nervosität in unserem seit über 20 Jahren aktiven Föhnflieger-Grüppli. Wir sind uns bald einig, dass es ein guter Tag für einen langen Flug werden müsste. Rasch werden vorsorglich Sitzungen verschoben. Ein frühaufstehender Schlepp-Pilot organisiert (Kurt Götz – wir sind Dir imfall auf den Knien für Deine Bereitschaft dankbar, dass Du dich um diese unchristliche Zeit ohne Wenn und Aber immer wieder ins Schlepp-Abenteuer stürzt! Der Frühstart wird geplant. Eine Nachtschicht eingelegt. Ich will den Flieger ohne Hektik am Vorabend montieren, füllen und am Morgen nur noch entspannt und konzentriert ins perfekt vorbereitete Cockpit steigen. Die Startvorbereitungen dauern bei mir fast eineinhalb Stunden, da wird’s am Morgen vor dem Flug rasch nervös. Diesmal nicht. ‚Cinque‘ steht schon am Dienstagabend montiert im Hangar. Ausreichend Wasser schwappt in den Flächen. Schuhe und Kleider liegen im Cockpit. Ich muss also wie in der Formel 1 nur noch einsteigen und losfahren.

Armin hält auch der Stau nicht auf

Bei der Fahrt durchs Glarnerland kommt der Föhn wie gewohnt in Mitlödi an den Talboden und da bleibt er bis anfangs Glarus. Der grosse Laubbaum bei der Villa des alten Ratsschreibers bewegt sich keinen Millimeter. D.h., der Wiggis würde jetzt nicht funktionieren. Dafür pfeift in Ziegelbrücke der Ostwind vom Walensee her. Die Südseite des Federispitzes ist damit mindestens unten angeblasen. Bei der Autobahnausfahrt Schänis fällt mir ein Polizeiwagen auf. Der stellt sich plötzlich quer auf die Fahrbahn, ich kann knapp vor ihm nach Schänis einbiegen. Armin Hürlimann erwischt’s weniger gut. Er irrt eine halbe Stunde auf allen möglichen Strassen und Feldwegen umher, um den Stau, den ein Schwertransport verursacht, zu umfahren. Macht alles nichts – unser Föhngrüppli macht ihm einfach den Flieger parat, am Ende passt alles zeitlich schön zusammen und er kommt wie gewünscht in die Luft.

Sportlicher Start

Frigg legt als erster los und steuert mit seinem kleinen Ventus, den er bis an den Stehkragen mit Wasser gefüllt hat – 200 lt. gutscheln in den Flächen – tief den Südhang des Federispitzes an und meldet schöne Steigwerte. Also spare ich mir Schlepp-Minuten und ziehe auch auf 1’300 Metern am gelben Klinken-Knopf. Das mache ich sonst aufgrund schlechter Erfahrungen nicht. Öfters habe ich damit viel Zeit verschwendet, weil ich nicht wegkam. Mit einem Start auf 2’500 Metern und dem Direktflug an die Churfirsten kann man sich das sparen. Diesmal komme ich aber rasch auf Gipfelhöhe des Federispitzes. Aber nicht höher. Das muss für den Sprung an die Churfirsten reichen. Die tun das, was ich erwarte. Sie tragen. Damit kündigt sich ein Flugstil an, der den ganzen Tag über anhalten sollte. Immer im oberen Kreten-Drittel bleiben. Bloss nicht darunter in die tote Luft fallen. Weit über die Gipfel hinaus kommt man sowieso nicht, also schminkt man sich den Aufwand für die paar gewonnenen Meter besser gleich ab und gewöhnt sich an geringe Operations-Höhen. Die Kunst ist dabei, den Speed so herauszufühlen, dass dieses schmale Höhenband nicht verlassen werden muss. Und vor den grossen Talsprüngen soviel Höhen-Reserve aufzubauen, dass man drüben im erwähnten oberen Drittel ankommt. Gelingt natürlich nur in der Theorie. Das erste Mal weicht die Praxis schon im Rheintal davon ab. Die Ostseite mit Falknis, Vilan usw. suche ich ab, finde aber nirgends Steigen. Die Hand fährt schon zum Wasser-Ablass, da bewegt sich beim Testen der Westkante die Luft zaghaft. Markus landet mit mir zusammen nach erfolgloser Aufwindsuche auf derselben Höhe und an der gleichen Stelle. Langsam aber stetig klettern wir dann geduldig von den Talheimetli in die Maiensässe und von dort auf die Alpweiden und über den Gipfel des Vilan hinaus. Das ist wie ein frühmorgendlicher geografischer Querschnitt durch die Schweizer Landwirtschaft.

Hochs und Tiefs

Der erste Tiefpunkt ist überwunden – der Zeitplan schon gehörig durcheinander. Auf den ersten Hundert Kilometer habe ich eine nicht geplante Stunde verbaut. Das stresst deshalb nicht, weil die langen Mai-Tage abends genügend Zeitreserven offen lassen. Da liegt die eine oder andere Übung schon drin. Das sorgt auf jeden Fall für einen kühlen Kopf. Auf dem Weiterflug bis Kufstein sorgt dann nur der neue RNAV-Anflug auf Innsbruck für Unterhaltung. Einer nach dem andern meldet bei Innsbruck Radar seinen Durchflug. Zuerst Frigg als Schneepflug. Dann Roland, Markus und ich gemeinsam als Nachzügler. Frigg öffnet auch den Bravo-Sektor von Innsbruck. Der war vor ihm noch zu und damit der Durchflug des Inntales bei Föhn unmöglich. Der bläst bis zum Rofan zuverlässig. Der Walzer den Bergspitzen Österreichs entlang kann beginnen.

Blick von der Nordkette aus in den Karwendel. Foto MvdC.

Alle vier kurz vor ungeplanter Landung

Schwierig wird die Lage nach dem Wilden Kaiser. Auf der Ostseite ist von Südwind nichts mehr spürbar. Und von Thermik nichts zu sehen. Trotzdem fliegen wir weiter – wir können hier ja nicht parkieren, wenn wir bis vor Wien fliegen wollen. Zuerst erwischt es Frigg beinahe. Er quert direkt an die Leoganger Steinberge und kommt uns bald sehr tief wieder entgegen. Offenbar hat’s nicht bis ans Ostende gereicht. Das ist die einzige Stelle, wo ich sagen könnte, dass die Luft normalerweise zuverlässig steigt.Wir praktizieren heute die Theorie des ‚sich überschlagenden Pulks’. Der voraus fliegende Pionier macht Fehler, in einem guten Team (das sind wir natürlich) meldet er das den Nachzüglern, worauf diese aufschliessen und ihrerseits die Rolle der fehleranfälligeren Testpiloten übernehmen. Insgesamt kommen wir so alle zusammen konstanter vorwärts als wenn man allein unterwegs ist.

Kein Stress dank Trichter-Flug

Gleichzeitig mit Frigg geraten auch Roland, Markus und ich in arge Nöte. Trotzdem bleibt die Stimmung entspannt. Wir eiern in den Hügeln bei Hochfilzen und tief im Tal von St. Johann um die Bäume. Das macht mit dem schweren Flieger nicht besonders viel Spass. Vor allem nicht, wenn die Aufwinde nur da und dort und ab und zu blubbern – typisch für das Auslösen erster Thermik. Die Cockpit-Temperatur steigt hier unten allmählich in den Sauna-Bereich. Frigg meldet sich nach St. Johann ab. Und ein paar Minuten später wieder zurück. Reinhard Haggenmüller, den er vom Wettbewerbsfliegen kennt, hat ihm am Funk einen guten Tip geben können. Und weil er das Wasser schon aus den Flächen hat laufen lassen, steigt er mit seinem kleinen Flieger auch bei zehn Centimeter Steigen zuverlässig wieder aufwärts. Die Trichter-Flug-Theorie wird heute erfolgreich angewendet. Wir bleiben alle im Gleitbereich von St. Johann und parkieren etwa 45 Minuten, bis die Thermik erst zaghaft und dann resoluter erwacht. Irgendwann bin auch ich (noch voll Wasser) wieder einen Kilometer höher. Markus ist mir aber längst davongestiegen und ostwärts weggeflogen. Der glückliche Blick hinunter auf die rettende Waldkante zeigt, wie hoch ein Kilometer in der Realität ist. Das wär ietz der Bescht gsi, wänn all vier mitenand am gliiche Ort hättet möse landä! Wenig später erholen sich auch Roland und Frigg von ihrem Tiefpunkt und folgen ebenfalls ins Ennstal.

Markus gibt Gas

Der Kampfgeist erwacht mit der besseren Optik. Von hier an geht’s auf weitaus vernünftigeren Höhen weiter bis an den Dachstein. Der Übergang dahin gehört zu den gaaaanz langen Talquerungen. Aber mit Geduld und vorsichtiger Tempowahl klappt’s. Markus ist auf und davon. Die halbe Stunde, die ich bei Hochfilzen liegen gelassen habe, hole ich bei seinem schnellen Flugstil bis am Abend nicht mehr ein. Dafür habe ich ein anderes Gspänli gewonnen. Armin Hürlimann hat von hinten im schnellen Arcus T aufgeschlossen. Bis Niederöblarn sind wir gemeinsam unterwegs – bis ihn das Heimweh packt und er wendet.

Einzigartige Landschaft: das ‚Steinerne Meer‚ Foto: MvdC.

Er sucht sein Glück in einem Jojo-Flug. Diesen Plan hatte ich anfangs auch. Aber die Chance, endlich die Region zwischen Ennstal und Wien kennen zu lernen, wirkt verlockender als Hin- und Herfliegen in bekanntem Gelände. Diese Chance ergibt sich heute. Ich bin sehr früh dran, der Tag ist lang, die verbleibende Strecke wird immer überschaubarer. Bis Aigen ist mir das Gelände vertraut, die stärker werdende Thermik schafft ausreichend Operationshöhe. Die Eisenerzer Alpen locken mit aufbauenden Cumuli. Nördlich von Trieben finde ich eine Art Abschuss-Rampe (Zitat Adrian Lutz). Sie schiesst mich mit heute noch nicht gefundenen Aufwindstärken in die Höhe. Ich kann sogar wählen, ob ich direkt in die unübersichtliche Geographie zum Eisenbergwerk fliegen soll oder aussen herum über die Nordseite des Liesing-Palten-Tales. Da ich glaube, zusehends wieder stärkeren Südwest zu spüren, wähle ich Letzteres. Obwohl die Segelflug-Profis Österreichs meistens direkt durch dieses Täler-Labyrinth sausen. Das ist mir aber zu unsicher, die Region sieht nicht besonders aussenlande-freundlich aus. Etwa vierzig Kilometer vor der Rax, dem letzten Alpen-‚Gipfel‘ wende ich um genau 13.00 Uhr.

Tolle Thermik-Optik in den Eisenerzer Alpen kurz vor der Wende.

Gemütliche Heimreise

Auf dem Kilometer-Zähler erscheint die Zahl 470. Das ist die aktuelle Distanz nach Hause. Da packt mich jedesmal leichte Panik. Denn das sind nüchtern betrachtet im Idealfall fünf Flugstunden. Und eine Reihe Unwägbarkeiten auf dem langen Weg.Der läuft trotzdem ohne Hektik und Spergamänter ab. Einzig ein von rechts daherschiessender Segler sorgt am Dachstein für Aufregung im Cockpit. Ohne Flarm hätte ich den Flieger gar nicht gesehen und mit Flarm war’s relativ spät. Aber rechtzeitig. Überhaupt ist den Hangkanten entlang jetzt Betrieb in der Luft. Vor allem rund um die bekannten Flugplätze wie zum Beispiel Niederöblarn. Kreuz und quer schiessen da die weissen Segler vor dem noch immer weissen Hintergrund der eingeschneiten Alpen durch die Luft. Mit der Sonne im Gesicht ist es schwierig, den Überblick über den Luftraum zu behalten.

Erfahrung zahlt sich aus

Bis Innsbruck kann ich einen schönen Rhythmus pflegen. Zweieinhalb Stunden nach der Wende quere ich das Inntal. Nach Westen ist die Optik ungemütlich. Der Himmel komplett von Altrostratus-Wolken bedeckt, die Sonne ist weggesperrt. Damit auch die Thermik. Aber dafür haben wir ja nun den Föhn. Wenn er denn bläst.

Auf Gegenkurs schiesst mir nach der Querung des Innsbrucker Segelflugraumes mit hohem Speed der Arcus T von Schänis mit Armin Hürlimann und Walter Hüppin entgegen. Sie wollen ihren Flug nach Osten verlängern. Was bei dieser Optik Mut braucht – denke ich im Stillen.

Wie bei früheren Gelegenheiten schalte ich nun das Tempo nochmals markant herunter und bleibe um den Preis langsameren Fortkommens immer im Kretenbereich und hangle mich der Nordkette entlang an die Hohe Munde und die Mieminger Kette. Vor dem langen, im besten Fall aufwindfreien Bereich bis zum Parseier nehme ich nun alles an Höhe mit, was ich bekomme. Und das ist leider wenig. Es wird knapp werden. Das ist der Grund, weshalb ich nicht bis auf den letzten Drücker ostwärts fliege. Weil es hier immer spitzig wird. Und wenn noch Zeitdruck dazu kommt, wird das Projekt ‚Heimkommen’ schwierig.

Adrian kurz vor dem Ziel am Boden

Kaum habe ich zu Ende überlegt, wie ich mit dieser geringen Höhenreserve sicher ins Arlbergtal einfädeln kann, meldet Adrian Lutz, der zügig voraus geflogen ist, dass er tief sei. Am Parseier seien schwache Windverhältnisse und er sei nicht weggekommen. Wenig später kommt seine Landemeldung als SMS aus der Region Imst. Es sei alles bestens. Pilot und Flugzeug seien wohlauf. Gottseidank! Mario Straub macht wieder einmal den Rückholer und depanniert bis weit in die Nacht Adrian und seine ASW-28-18.

Höchste Konzentration

Der Parseier ist ein massiver Berg. Vor allem, wenn man tief und weit um ihn herum fliegen muss. Die ganze Südostseite ist eine Enttäuschung, ich kann mich knapp halten. Massnahme Nummer 1 ist: ‚Wasser marsch’. Wenige Minuten später sitze ich 60 kg leichter gefühlt wie auf einem Blatt Papier und lasse mich umherwehen. Es geht trotzdem nicht recht aufwärts. 10 cm Steigen im Geradeausflug reichen nicht, um einen halben Meter Sinken beim Wenden zu kompensieren. Heinz Brem klingt mir wieder in den Ohren. ‚Man sollte darauf achten, dass man die Höhe, die man beim Geradeausfliegen gewinnt, nicht in den Kurven wieder verliert…’. Recht hat er. Also muss nun eine neue Taktik her. Bevor ich das Schicksal Adrians teile, versuche ich noch, ganz um den Parseier herum auf die Südwestseite zu gelangen, ohne wegen starken Sinkens meine letzten Chancen zu verspielen, auf der bisher enttäuschenden Südseite später vielleicht doch noch wegzukommen. Also gaaaannnzz vorsichtig! Ich ertappe mich dabei, meine Bauchmuskeln und die Oberschenkel per direktem Befehl vom Hirn an die Muskeln lockern zu müssen. So angespannt bin ich gerade. Wenäs Schwiii uferä Biss-Zangä! Kaum sehe ich um die Kante nach St. Anton hinüber, lockern sich Stimmung und Bauchmuskulatur etwas. Das Vario beginnt zu piepsen. Erst zaghaft, dann konstant. In ganz engen Achten wickle ich das Fliegerchen die Südwestkante entlang aufwärts. Und wie er da steigt! Damit ist zumindest sicher, dass ich Vorarlberg oder das Rheintal erreiche. Immerhin – die letzte Stunde war das ungewiss.

Dicke Altostratus verhindern die Sonnen-Einstrahlungin der Region Arlberg. Dafür wird der Südwest stärker.

Im Montafon pfeift der Wind wieder

Zurück in die Schweiz geht’s leichter als ich dachte. Der Wind nimmt auf der Westseite des Arlbergs zu und bläst etwa mit 30 km/h. Nicht viel, aber das reicht. Damit ist der Fall klar. Alle Südwest-Hänge sollten tragen. Machen sie auch. Problemlos komme ich über das Hochjoch ins Prättigau. Der Fall ist gegessen, ich bin zuhause.Gleich machen es meine nachfolgenden Gspänli. Roland kennt das Problem der Rückkehr in die Schweiz gegen den Wind und vor einen abgedunkelten Himmel von früheren Gelegenheiten ebenso wie Frigg. Beide hangeln sich vorsichtig nach Hause. Klappt – auch diese beiden Tausender-Flüge sind nach zwölf Stunden Flugzeit in trockenen Tüchern.

Armin und Walter geht’s etwas weniger gut. Sie müssen auf der Heimreise den Hilfsmotor bemühen. Damit reicht die Distanz nicht, obwohl sie sich tapfer geschlagen haben und nahe an ihrem gesteckten Ziel dran waren.

Fazit:

an diesem ‚Weitschuss‘ war vor allem die fein orchestrierte Planung und Umsetzung toll. Die nötigen Instrumente sind alle im richtigen Moment und in der richtigen Dosis eingesetzt worden. Wie bei den Wiener Philharmonikern. Da stimmt ja auch jeder Ton und die Zusammensetzung des Orchesters ist perfekt. Deshalb ist das von Walzerkönig Johann Strauss geprägte Kommando für die Freigabe der Tanzfläche ‚Alles Walzer!‘ nicht nur der traditionelle Beginn des Wiener Opernballs, sondern auch das passende Motto dieses herrlich-eleganten Abenteuers auf der Südwind-Bühne Österreichs gewesen.

Das Land wächst mir immer mehr ans Herz 🙂

Technische Daten.
Foto-Galerie.


 
Die ‚Helden des 15. Mai 2013‘: Walter Hüppin, Roland und Armin Hürlimann, Markus von der Crone, Fridolin Hauser und Ernst Willi (v.r.n.l.).

Horror in Innsbruck.

Dienstag, 25. Oktober 2011. Dieser Tag zeichnet sich vor allem durch eine erhebliche Abweichung von Prognosen und Erwartungen von der angetroffenen Realität aus. Weder die prognostizierten, stürmischen 40 bis 60 kts. Wind-Speed auf 2’500 Metern bis weit nach Österreich hinein noch die optimistischen langen Hangflüge entlang der Inntal-Rennbahn, dem Kaiser, den Loferer Steinbergen usw. waren auch nur ansatzweise in Reichweite. Unter 2’200 Metern zog grundsätzlich gar kein Wind durchs Land und östlich des Arlbergs auch nicht viel mehr.

Frühstart. Alles klappt.

Das wissen wir aber erst nach dem Flug. Leider noch nicht beim ersten Tageslicht, als wir uns in den am Vorabend komplett vorbereiteten Arcus setzen, um heute 1’000 km unter die Flügel zu nehmen. Aufgeschrieben haben wir die Strecke Niederöblarn-Nassereith-Saalfelden. Bei 10  1/2  Stunden Tageszeit nur machbar, wenn unterwegs gar nichts schief geht. Also allerhand (unnötiger) sportlicher Druck im Zwei-Mann-Cockpit, das ja schon bei normalen Verhältnissen nicht einfach zu managen ist, wenn man sich nicht vorher abspricht, wer was wann macht. Letzteres haben wir – nur, was sich bisher bewährt hatte, sollte heute fatale Folgen haben.

Raketen-Start.

Die Tatsache der von der Prognose abweichenden Verhältnisse habe ich am Parseier ignoriert, als sie erkennbar wird. Bis dahin benötigen wir inklusive Schlepp weniger als eine Stunde. D.h., wir sind kreislos in Schänis immer in Kretenhöhe oder darüber via Prättigau und Montafon sowie das Arlbergtal komfortabel und sehr schnell weggekommen. Die Euphorie steigt, ich stelle mir genau vor, wo und wie hoch wir über die Rennstrecke des Inntales, den Kaiser, die Loferer usw. reiten werden. Erstaunt stellen über Landeck auf der Ostseite des Parseiers stattdessen plötzlich fest, dass wir uns entgegen aller Wetterprognosen in ruhiger Luft und am Rande eines bis Innsbruck reichenden und gut aufgefüllten Kaltluftsees befinden. Am Karwendel ist aber weit in der Ferne Staubewölkung mit Basis auf ca. 2’200 Meter erkennbar. Aufgrund frührerer Erfahrungen fliegen wir deshalb zuversichtlich ab. Früher bin ich an der Innsbrucker Nordkrete immer gut weggekommen… das wird sicher heute sicher auch wieder so sein. Denke ich wenigstens. Und eigentlich will ich meinem jungen CoPi auf dem vorderen Sitz ja auch zeigen, wie man lange Flüge im Föhn macht. Ohne einen Aufwind zu finden, segeln wir ruhig weiter, über Tschirgant, Hohe Munde, Seefeld, umfliegen die CTR Innsbruck bis an den Zirlerberg (westlich) von Innsbruck. Wir lassen die ganze Gleitstrecke mit ausreichend Luft unter den Flügeln ungenutzt, um den Flautenschieber zu starten und der Kaltluft zu entfliehen. Immer in der Hoffnung, dass der Karwendel wie sonst immer auch heute wieder trägt. Bis dahin ist also alles wie im Lehrbuch, völlig ok und problemlos, und wir sind auf 1’150 Metern und auf der Frequenz von Innsbruck TWR, bereit, beim Einflug in die Karwendel-Sektoren nötigenfalls anzumelden. Dann geht’s aber plötzlich zu schnell für mich.

Schlimmer Fehlentscheid. Schlimmes Verhalten.

Wir verlieren in den Walzen und Rotoren am Fuss der Karwendelkette nordwestlich des Flugplatzes Innsbruck viel zu rasch Höhe. Und dann fälle ich überflüssigerweise auch noch einen groben Fehlentscheid. Mein CoPi hat sich eigentlich bereits auf die Landung in Innsbruck eingestellt und damit gerechnet, das Fahrwerk ausfahren zu müssen. Stattdessen mache ich von meinen (vor dem Flug festgelegten) ‚Senior-Rights‘ Gebrauch. Und verlange von ihm deshalb nun, auf eigentlich komfortablen 400 bis 500 Meter über Grund und nahe dem Flugplatz Innsbruck den Flautenschieber anzuwerfen. Was er entgegen seinem eigenen Willen auch sofort und trotz seiner Überraschung über meinen Entscheid gut erledigt. Die Zeit reicht nun auch plötzlich nicht mehr für eine Diskussion, wie wir sie sonst in solchen Situationen immer kurz führen. Der Motorstart klappt obendrein dann nicht so schnell wie erhofft. Wir finden uns schlagartig 300 bis 400 Meter tiefer auf Voltenhöhe Innsbrucks und im Segelflugsektor B, später auch im Sektor A wieder – ohne Clearance, wohlverstanden. Noch bis dahin hätten wir in Innsbruck mit einer regulären Platzvolte problemlos zur Landung ansetzen können. Stattdessen sinken wir rasch weiter und verlieren mit voll laufendem Flautenschieber und einem unerträglichen Geräuschpegel weiter Höhe. Ich bin wie blockiert, erkenne aber wenigstens noch, wie ernst die Lage jetzt geworden ist.

Walzen und Rotoren.

Ich konzentriere mich in der Folge auf dem hinteren Sitz mit 100% meiner verfügbaren Kapazität in der sinkenden Luftmasse nur noch darauf, den schweren Flieger auf Fahrt und in der Luft zu halten. D.h. ich fliege, wie die spätere Analyse zeigt, etwas zu schnell und steige entsprechend kaum. Der herrschende Motorenlärm im Cockpit verunmöglicht die  Kommunikation oder einen Funkkontakt mit dem Turm von Innsbruck bzw. beschränkt ein ‚Gespräch‘ im Cockpit auf Handzeichen, die von vorn nach hinten, aber nicht umgekehrt erkennbar sind. Headsets hat der Flieger im Gegensatz zu unserer eigenstartfähigen ASK-21-Mi keine.

In der Falle.

Nun sitzen wir wirklich in der Falle. In sinkender Luftmasse. Ohne Kommunikations-Möglichkeiten nach innen oder aussen. Von der rasch und bedrohlich näher rückenden Topografie immer mehr an den IFR-Sektor von Innsbruck gedrängt. Ohne zuverlässige Variometer-Anzeige, weil der Motor den Luftstrom an die Messgeräte verwirbelt. Dafür mit einem Höllenkrach im Flieger. Motor einfahren geht auch nicht, weil ich dann wegen des Windmühleneffektes noch rascher sinke und womöglich den Flugplatz nicht mehr erreiche. Dann kämen wir bestimmt in der Zeitung. Ich versuche also, irgendwo (östlich und westlich des Platzes) am Hangfuss eine Zone zu finden, um Höhe zu gewinnen, um wenigstens den Flugplatz Innsbruck wieder erreichen zu können. Inzwischen sind wir auf kriminell tiefe Flughöhe gesunken. Das Variometer zeigt wegen der Verwirblungen des Flautenschiebers keine brauchbaren Werte. Bleibt nur den Höhenmesser als Indikator. Die Optik ist nicht auszuhalten. Der Stress auch nicht.

Westlich des Platzes können wir uns dann beim Zirlerberg nach endlos scheinenden Tiefst-Flug-Minuten endlich aus der misslichen Lage befreien, den Felsen entlang wegsteigen. Auf 1’300 Metern den Motor abstellen und an der Nordkette rasch Höhe gewinnen. Und anstelle nun endlich, wenn auch viel zu spät, mit Innsbruck TWR Kontakt aufzunehmen, habe ich mich einfach nach Osten der Nordkrete entlang davon gemacht. Eine Art fliegerische Fahrerflucht also… Ohne auch nur auf die Idee zu kommen, die Innsbrucker Lotsen könnten uns vermissen / suchen. Mitgespielt hat, das ich irgendwie nicht auf der Frequenz eines internationalen Flugplatzes meinen ‚Fall‘ ausbreiten will. Es ist mir sofort klar, dass mein Verhalten Folgen haben muss. Die Innsbrucker Lotsen werden den Vorfall melden müssen. Für mein Schweigen am Funk kann ich mich aber auch hier nur noch entschuldigen.

Beruhigender Apfelstrudel in Kufstein.

Der Rest ist wesentlich einfacher zu erzählen. Wir segeln entlang der Inntal-Nordkrete über den Rofan an den Wilden Kaiser. Arbeiten die Erfahrung in Innsbruck noch in der Luft erstmals (und danach noch verschiedentlich im Detail) auf. Und treffen am Wilden Kaiser gleich nochmals eine ähnliche Situation an, wenn auch diesmal lockerer, ohne Wind und ohne kontrollierten Luftraum. Einfach ruhige Luft, kaum auffindbares Steigen. Nach längerer Hangfliegerei am Wilden Kaiser haben wir (diesmal gemeinsam) entschieden, in Kufstein eine Ruhepause einzulegen. Einen Kaffee und Apfelstrudel zu geniessen. Und uns das noch vorhandene Benzin im Flautenschieber für den bestimmt schwierigen Heimflug aufzusparen. Der Plan ist nun, ab Kufstein an den Rofan zurückzuschleppen, wo wir letztmals richtiges Steigen hatten und von dort dann in aller Ruhe nach Schänis zurück zu segeln.

Noch nicht zuhause.

Der Rückflug wird trotz des nun etwas stärkeren Südwindes trickreich wie der Hinflug. Die Inntal-Nordkrete trägt problemlos, von den kontrollierten Lufträumen bleiben wir weit weg. Vom Fernpass bis an den Parseier ist kaum Höhe zu holen (ausser am Sentenberg zwischen Imst und Landeck, wo wir diesmal geduldig entscheidende 400 Meter dazunehmen. Der Parseier gibt unter 2’200 Metern im dort sauber bis zum Rand aufgefüllten Kaltluftsee gar nichts mehr her. Eines unserer Gspänli muss hier etwas tiefer als wir auch den ‚Motor‘ ziehen und verliert dabei auch gehörig Höhe, am Ende klappt’s dann aber doch. Wir selber erreichen im Segelflug mit Mühe das oberste Kretendrittel und können dort gut wegsteigen. In dieser Flugphase landen verschiedene Piloten in der Region. Darunter auch welche mit mehr Erfahrung als wir beide zusammen.

Den Rotorensalat im Montafon können wir dank der feuchten Luft und der damit verbundenen Wülchli vernünftig handhaben und und segeln hoch auf über 4’000 Metern in der Zimba- und der Schesaplana-Welle in einer Menge feuchter Luft, die aus dem Rheintal ins Prättigau staut, zurück in die Schweiz. Mit frühzeitigem Kontakt zu ZRH-Info, ohne eine Spur von Luftraum-Verletzung und brav weit unter 3’900 Metern über die Landesgrenze einfliegend.

Fliegerische Konsequenzen:

1. Flug am Perseier früh abbrechen, sobald Kaltluft wie an diesem Tag erkennbar wird.

Nicht weiter nach Osten in die Kaltluft fliegen, in der Hoffnung, am Karwendel wegzukommen. Falls man doch weiterfliegt und in die Kaltluft einsinkt, die ca. 40 Min. Gleitflug nutzen und den Flautenschieber mit mehr als 500 Meter Höhenreserve zum Boden starten. Über einem Landefeld oder Flugplatz (aber lieber ohne CTR darum herum).

2. Nötigenfalls weit vor dem Einflug in eine CTR Kontakt aufnehmen, auch wenn man noch nicht weiss, ob man landen will/muss oder nur eine Durchfluggenehmigung verlangen soll. Konfuse Funksprüche sind das kleinere Problem als eine Untersuchung durch die Behörden.

3. Flautenschieber existieren für mich nicht mehr. Ich sitze in einem Segelflugzeug. Basta.

4. Ich werde versuchen, zusammen mit den Innsbrucker Segelfliegern herauszufinden, wie die Luft sich in den Schichten unterhalb 1’500 Metern an der Nordkrete bewegt und werde hier darüber informieren, wenn ich das herausgefunden habe.

5. Noch klarer regeln, wer in welcher Situation entscheidet und wie wir im Cockpit kommunizieren, wenn es fliegerisch erforderlich ist, klare, rasche Entscheide zu fällen.

6. Wenn immer möglich die Kommunikation sicherstellen, wenn der Motor läuft. Installation eines einfachen Headsets, detaillierte Instruktion der Piloten, wie man dieses Instrument sauber einstellt und bedient (wenn man es falsch braucht, wird es zur zusätzlichen Erschwernis).

Persönliche Konsequenzen:

Die habe ich nach verschiedenen behördlichen Kontakten nach dem Flug mit AustroControl, dem Innsbrucker Tower, den Safety-Verantwortlichen des österreichischen und Schweizer Segelflug-Verbands noch nicht gezogen. Es ist vermutlich Zeit, den Logger zu verkaufen. Immerhin bin ich ohne das Ding mehr als 20 Jahre ohne irgendwelche Vorkommnisse in aller Ruhe kreuz und quer durch Europa geflogen, ohne Druck, ohne Stress. Ohne Logger entfällt der sportliche Ehrgeiz, der bei mir ursächlich zu dieser Art von Entscheiden führt. Bei langen Distanzflügen ist die Trennung von ‚Gas-geben‘ und ‚Bremsen‘ noch schwieriger als sonst, weil sie ohne konsequentes, schnelles Vorfliegen gar nicht machbar sind. Es geht eigentlich nur, wenn man sehr schnell fliegt, man nimmt Tiefpunkte also bewusst in die Planung mit.

Schwierig ist auch die Rolle des Fluglehrers bei dieser Art von Flügen. Der Erwartungs- und Leistungsdruck und die Verantwortung ist im Vergleich zu einem ‚Platz-Adler-Flug‘ natürlich höher. Also entweder ambitionierte Flüge nur noch alleine unternehmen oder bei Starkwind-Verhältnissen nur noch Plauschflüge in der näheren Umgebung vom hinteren Sitz aus begleiten. Das ist alles nicht so einfach, wenn man gerne Fluglehrer ist und sein Wissen gerne weitergibt.

Auf jeden Fall nicht nachmachen.

Das ist der Grund, weshalb ich über diesen höchst unangenehmen Flug auch noch Details ausbreite. Es ist vermeidbar, dass andere Piloten ähnliche Fehler nachmachen. Man gerät schneller als erwartet in Schwierigkeiten. Noch vor einer Woche hätte ich mir nicht vorstellen können, mich in eine derartige Lage zu manövrieren. ‚Also so was Verrücktes werde ich sicher nie machen‘, war in etwa die Grundhaltung. Wer hat nicht auch schon so gedacht?

In der untenstehenden Tabelle habe ich meine privaten Schlüsse und jene für den Flugbetrieb auf einem Blatt zusammengestellt, die für Fluglehrer- und (Passagier-) Piloten-Ausbildung oder für den Benutzer von Flautenschiebern und Eigenstartern unter dem Eindruck dieser Erfahrung wichtig sind.