Motorflieger-Ferien an der Atlantikküste Frankreichs.

Die Pointe du Hoc – einer der am härtesten umkämpften Orte während der allierten Invasion der Normandie. Genau hier sind am Tag der Landung am Horizont über 5’000 Schiffe unvermittelt aus dem Morgennebel aufgetaucht.

Foto-Galerie.

Alles online.

Juli 2008. Den Motorflieger habe ich vorsichtshalber ab Dienstag für die ganze Woche reserviert. Abzuliefern ist er am Samstag. Dazwischen sollte eine gemütliche Familien-Motorflugreise an die Atlantikküste liegen – mitten ins Hochdruckgebiet hinein.

Im Internet findet ich bei ‚chambres d’hôtes de charme‚ nicht nur ein gleichzeitig freies wie flottes Hotel, sondern gleich ein kleines Schloss in der Normandie – und das am Vortag des geplanten Abfluges.

Flugplan, Zoll-Anmeldung, Flight-Log usw. benötigen zwar etwas Zeit, dafür starten wir am Dienstag bestens vorbereitet zum 3 1/2-Stunden-Flug nach Caen an der Kanalküste. Vom Zoll kam wieder mal niemand vorbei. Mit von der Partie sind dafür Deborah und Brigitte. Unsere Kleinste macht es sich in ‚der zweiten Reihe‘ mit Kissen und Wolldecke gemütlich, Brigitte hilft beim Navigieren. Das war schon schwieriger als heute – besser könnte die Sicht am wolkenlosen Himmel (und das zwischen Mollis und dem Kanal) gar nicht sein.

Ereignisloser Flug.

Der Flug führt westlich der CTR Zürich vorbei nach Basel. Von da aus über endlos scheinende Flach-Land-Schaften… ja, jetzt wissen auch wir, warum Frankreich ein Landwirtschafts-Land ist… südlich am Pariser Luftraum-Puzzle vorbei. Die Kathedrale von Chartres ist heute ebenso leicht zu erkennen wie die Schloss-Anlagen von Versailles. Über der Hauptstand der ‚Grande Nation‘ ist der Luftraum dicht mit Schwermetall gefüllt. Aus 30 km Distanz können wir schön zusehen, wie die Airliner im Minutentakt in die Luft gespickt werden. Bis auf das Umfliegen eines kleinen militärisch genutzten Luftraumes funktioniert alles ereignislos. Nach etwas mehr als drei Stunden nehme ich nach dem Flug über die ‚Ile de France‘ die Anflugkarten von Caen zur Hand. Der Controller beharrt anfangs in vertraut französischer Sturheit darauf, dass ich trotz Aktualisierung vor 24 Stunden alte Anflugkarten auf meinem Knie hätte. Der Fall lässt sich dann am Boden berichtigen, nachdem ich am Funk ebenfalls etwas renitent darauf beharre, erstens das richtige, aktuelle Kartenmaterial zu verwenden und zweitens solche Diskussionen grundsätzlich nicht im Landeanflug zu führen gedenke. Alles eine Frage des Selbstvertrauens! Letztlich stellt sich heraus, dass die französischen Behörden die letzten Änderungen vor drei Monaten offenbar noch nicht überall hin weitergeleitet haben. So ein Stressaberauchdendiehaben. Jedenfalls nicht zu Jeppesen, die weltweit das Kartenmaterial vertreiben. Am Ende finden auch wir in der etwas unübersichtlich grossen Parkplatzwiese ein gutes Plätzchen für den HB-KFM. Wir sind die einzigen Kleinflieger auf dem riesigen Gelände.

Auch George W. Bush war hier.

Die Nähe unseres Zielflugplatzes zu den geschichtsträchtigen Landungsstränden der Alliierten bei der Invasion Europas macht sich schon im C-Büro von Caen bemerkbar. Airforce One mit Mr. President war auch schon hier. Vermutlich am kürzlich gewesenen Jubiläum der Invasion.

Schneewittchensarg.

Wir holen mit dem Taxi unseren reservierten Schneewitchensarg in der Stadt bei der Autovermietung ab. So hiess früher ein bestimmtes Volvo-Modell mit viel Glas am Heck, das in einem James-Bond-Streifen berühmt wurde. Die aktuelle Version des Fahrzeuges ist zwar ebenso elegant wie das Original, aber praktisch ohne Kofferraum. Jedenfalls haben wir Mühe, unsere wenigen Koffer ins Wägelchen zu packen. Es geht eigentlich nur, wenn man die Kofferraum-Abdeckung komplett demoliert, achnein, demontiert.

Tschagguhsi.

Wir fahren gemütlich an der Peripherie von Caen vorbei Richtung Kanalküste zu unserem Schlössli. Das übertrifft dann unsere Erwartungen erheblich. Ein freundliches Eigentümer-Ehepaar, ein auf Pferdesport spezialisierter Journalist mitsamt einem gepflegten Anwesen warten auf uns. Dazu gehört auch ein Jaccuzi. An dem hat besonders Deborah ihre Freude. Wir bringen sie kaum mehr aus dem Sprudelbad heraus, wenn sie mal drin ist. Was jeden Abend passiert. Am Ende verlängern wir unseren Aufenthalt um einen Tag. Und eigentlich würden wir gern wieder mal dorthin reisen – es ist einfach etwas weit, wenn man nicht fliegen kann.

In Reih und Glied.

Während der drei Tage in der Normandie schauen wir uns in aller Ruhe den östlichen Teil der alliierten Landungsstrände, die riesigen Soldatenfriedhöfe und Schlachten-Gedenkstätten an. Es ist unglaublich eindrücklich. Der Strom der Besucher aus aller Welt scheint denn auch nie zu versiegen. Überall treffen wir auf (meist englisch-sprechende) Reisegesellschaften, Schulklassen und viele Urgrossväter mitsamt zwei Folge-Generationen ihrer Familie im Schlepptau, die den Ort ihrer schlimmsten Kriegserlebnisse nochmals anschauen wollen. Zu den speziell eindrücklichen Orten gehört der US-Soldatenfriedhof. Soweit das Auge reicht, reihen sich weisse Kreuze, fein säuberlich aufgereiht, kein Rasenhalb ist zu hoch, alles ist bestens gepflegt. Tausende von US-Soldaten-Namen stehen auf diesen weissen Kreuzen. Sie alle haben für ein freies Europa den höchstmöglichen Preis bezahlt. In den Hotels und Restaurants der Gegend werden wir den Eindruck nicht los, dass dieser Teil Frankreichs noch heute den GI speziell dankbar ist.

Holpriges Rückseitenwetter.

Wir fliegen nach diesem geschichtlichen Vollbad zwei Tage später weiter. Diesmal geht’s von Caen aus der Kanalküste entlang bis nach Sainte-Mère-Eglise. Das ist jene Ortschaft, an deren Kirchturm ein GI als einziger seiner Kompanie die Landung überlebt hat. Zwar stocktaub, weil er stundenlang zwei Meter neben den ständig Alarm-läutenden Kirchenglocken an seinem Fallschirm gehangen hat – aber er hat die heftige deutsche Gegenwehr überlebt, weil er sich dort oben tot gestellt hatte.

Weiter führt der Flug zum Mont-Saint-Michel. Der Felsendom steht heute nicht mehr im Meer, sondern hauptsächlich im Marschland, aber trotzdem nur über eine schmale Zufahrtsstrasse erschlossen. Der Überflug ist verboten, daran halten wir uns selbstverständlich. Die starke Rückseiten-Thermik schüttelt uns heftig durch. Brigitte wird zusehends bleicher, hält aber feste durch.

Zum Glück ist es nicht mehr weit bis nach Quiberon, der wunderschönen Segler- und Fischer-Halbinsel im Atlantik. Die ist heute unser Ziel. Das ist ein netter (kurzer) Flugplatz unmittelbar am Meer. Man soll sogar direkt zu Fuss von dort aus ins nahe Hotel spazieren können, so dicht sei hier alles beisammen.

Wieder auf dem Lande.

Die Funkerei und der Anflug gestalten sich, verglichen mit dem Süden von Paris, vergleichsweise einfach. Auch Parkplatz ist ausreichend vorhanden. Das ist offenbar nicht immer so, an bestimmten Weekends soll hier alles bis auf den letzten Platz gefüllt sein. Paris ist ja nicht allzuweit. Und der eine oder andere reiche Franzose leistet sich bestimmt den Spass, in der eigenen Maschine hierher zu fliegen.

Hotel Europa.

Wir verbringen in einem modernen Hotel direkt am Meer ein paar herrliche Ferientage. Deborah findet das Hotel noch heute das beste von allen. Mir bleibt vor allem mein erster verspiesener Hummer in Erinnerung. Bewaffnet mit allerhand Spezialwerkzeug, arbeitet man sich da während längerer Zeit durch die essbaren Teile des Krustentieres hindurch. Satt wird man davon am Ende vor allem deswegen, weil der Magen genügend Zeit hat, sich voll zu fühlen. Wir verbringen die Zeit mit gemütlichen Ausflügen in die kleine Stadt, mit Spaziergängen am Ufer, an dem bei Ebbe allerhand interessantes Getier freigespült wird.

Rückflug durch die Front.

Am Samstag machen wir uns beizeiten auf den Weg nach Hause. Da ich nicht gleichzeitig mit der gestern hier durchgezogenen Regenfront über dem Jura ankommen will, starten wir schon um 09.00 Uhr LT Richtung Osten. Der Turm ist noch nicht besetzt. Also hinterlasse ich an der Glastür eine Notiz mit meiner Adresse – und den Hinweis, dass ich die Landetaxe mangels anderer Möglichkeiten aus der Ferne bezahlen werde. Geplant ist das Unterfliegen der Regenfront über dem Flachland, eine zolltechnische (also sinnlose) Zwischenlandung in Nevers und der umgehende Wiederstart für den Flug direkt nach Mollis.

Tief. Tiefer. 500 ft AGL.

Anfangs steige ich über die Wolken. Auf 7’500 Fuss gleiten wir elegant über die Tops der Rückseite der Regenfront. Irgendwann geht’s dann definitiv nicht mehr höher. Dem vollgetankten und -beladenen HB-KFM geht die Puste aus. Dann machen wir halt einfach das Gegenteil. Auf etwa 50 km wolkenloser Strecke sinke ich zügig bei maximalem Speed bis auf 1’000 Fuss hinunter und unterquere im strömenden Regen über bzw. entlang der Loire die Front. Bis auf eine konzentrierte Ladung Wasser auf der Frontscheibe geht alles ohne Probleme, die Sicht ist immer mehr als ausreichend. Man muss sich einfach an die tiefen Flughöhen gewöhnen können. Dafür hat man einen ausgezeichneten Blick auf die Atomanlagen hier…

Sicht auf den ganzen Alpenbogen.

Nevers erreichen wir pünktlich. Die Zollandung ist völlig sinnfrei. Kein Mensch will uns hier sehen, schon gar nicht der viellicht vorhandene Zöllner. Der hat heute Samstag sowieso Gescheiteres zu tun. Als zahlen wir die bescheidene Landetaxe und verschwinden subito wieder. Nun sind wir ja vor der Front und damit auch wieder mitten im Hockdruck-Gebiet. Entsprechend weit reicht die Sicht. Über dem Jura ist der ganze Schweizer Alpenbogen sichtbar. Eine Wucht!

Der Flug nach Mollis ist wieder absolut problemlos. Bei der Landung stellen wir fest, dass wir plötzlich am grössten europäischen Ultraleicht-Meeting teilnehmen. Mollis hat dieses Weekend etwa 400 Kleinstflugzeuge zu Besuch. Ein ziemlicher Betrieb also. Aber auch dieses Hindernis überqueren wir problemlos und versorgen das Fliegerchen unbeschadet im Hangar. Es sollte unser letzter grosser Auslandsflug mit dem HB-KFM sein. Wenige Monate später ruiniert ihn ein an grober Selbstüberschätzung leidender ‚Motor-Rad-Stuntman‘ und Hartz-IV-Empfänger mit seinem Töff, der ungebremst und unversichert, dafür voller Un-Vermögen ins Flugzeug knallt und einen späteren Flugzeug-Ersatz wegen Totalschadens nötig macht.

Die grösste Party aller Zeiten verpast.

Eine der weisesten Entscheidungen war dann ein Telefon-Anruf in unserem sturmfreien Zuhause. Unser Ältester hat die Gelegenheit benutzt, um am Freitagabend eine grosse Party anzusagen. Entsprechend zugerichtet muss unser Häuschen am Tag danach sein. Wir bekommen davon dank des Telefon-Anrufes und der damit zusätzlich gewonnen Zeit, um das Gröbste aufzuräumen, glücklicherweise nur Fragmente mit. Zum Beispiel finde ich noch Tage später irgendwo auf dem Grundstück Kleidungsstücke. Oder wir haben tagelang Mühe, das Wasser im Pool mit Einsatz aller vorhandenen Chemie wieder ins Gleichgewicht zu bringen. Oder unsere Nachbarn (300 Meter entfernt) sprechen uns darauf an, dass letzte Nacht die Musik bis zu ihnen gehämmert habe…

Man muss nicht alles wissen. Unser Junior macht sich am Tag danach jedenfalls mit allerhand Blumensträussen zu den Nachbarinnen auf, um sich für den Trubel der letzten Nacht zu entschuldigen. Die TeilnehmerInnen der Party sprechen noch Monate später vom tollsten Anlass aller Zeiten. Muss ja gewaltig gewesen sein.

Wie auch immer – wir gehen trotzdem mal wieder auf eine Flugreise.
Auch das war ein toller und unvergesslicher Event.

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