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Besuchen Sie den Kühlturm – so lange er noch steht.

Sonntag, 29. Mai 2011. Konkurrenzleiter Peter Schmid begründet die Wahl seiner heuten Strecken-Ausschreibung mit zwei Argumenten. Einerseits ist die Strecke nach Olten und Beromünster von verschiedenen Flugplätzen unterlegt und damit sicherheitsmässig ideal. Anderseits sollte man seiner Meinung nach Kühltürme in der Schweiz anfliegen, so lange sie noch dampfen.

Das heutige Rückseitenwetter lässt es zu, dass die meisten Piloten heute fast schon wie in den Frankreich-Ferien zuerst gemütlich Zmittag essen, um nach 13.00 Uhr zu starten und die Aufgabe von 182 km Distanz anzugehen. Die sollte beim heutigen Wetter in zwei bis drei Stunden zu machen sein. Damit ist für die 17 Teilnehmer am heutigen GliderCup-Flugtag keine unnötige Hast gefragt.

Nie unter 140 km/h geradeaus.

Heute sitzt mit Ruedi Gysin ein Gast der SG Zürich vorn im Cockpit ‚meines‘ Duo Discus ‚SV‘. Wir lassen uns vom Turbo-Bravo auf 1’900 Meter ziehen und fliegen ohne Verzögerung gleich durch den Abflug-Zylinder bei Rieden und nehmen sogleich die Aufgabe in Angriff. Wir haben uns für heute natürlich eine tolle Taktik ausgedacht. Er fliegt und ich geniesse die Show und rede einfach wenn nötig drein. Er soll seine geplanten Entscheidungen kommentieren und begründen und auch immer eine zweite Alternative bereit haben, falls die erste einmal danebenginge. Wenn ich einmal bessere Argumente hätte, würden wir diese übernehmen. So der Plan. Das funktioniert gut. Der Vorteil ist, dass so beide etwas dazulernen und gleichzeitig ständig überlegen, was die beste Flugstrecke wäre. Der Nachteil ist, dass relativ viel diskutiert wird, machchmal geht die Fliegerei so schnell, dass man kaum dazu kommt, etwas zu begründen, was man gerade entschieden hat.

Auf Kurs sieht die Wetteroptik bestens aus. Alle paar Kilometer hängen kleine Cumulus-Wülchli. Die Steigwerte darunter sind einwandfrei bei etwa zwei Metern pro Sekunde. Fast wie ein Motorflugzeug fährt Ruedi die Strecke ab, er hält dabei den Speed immer schön über 140 km/h. Dabei achtet er darauf, im obersten Höhenband zu bleiben, damit das Aussenlanderisiko kleinstmöglich bleibt. Trotzdem kommen wir gut voran und geraten beim Thürlersee in einen Teil der Schweizer Meisterschaft, die vor kurzem gestartet ist. Die Segler scheinen randvoll mit Wasser zu sein, jedenfalls steigen jene, die in ‚unseren‘ Aufwind eindrehen, etwas schlechter. Neben diesen Gspänli von der SM sind wir praktisch auf der ganzen Strecke alleine unterwegs. Entweder sind uns alle Piloten aus Schänis vorausgeflogen oder sind später gestartet und damit ein Stück hinter uns.

Das einzige ‚Problem‘ ist der kontrollierte Luftraum.

Das Mittelland zeigt sich heute einmal von seiner besten Seite. Ausreichend hohe Wolkenbasis und kaum Wind, der die Aufwinde versetzen würde. Die für mich ungewohnte Mitelland-Fliegerei hat durchaus ihren Reiz. Es hat meistens ausreichend Luft unter dem Flügel, die Fliegerei ist deutlich entspannter als in den Alpen, wo man eigentlich ständig ‚am Boden‘ herumturnt. Das grösste Problem, mit dem wir im Duo überhaupt zu tun haben, ist das Respektieren der kontrollierten Lufträume. Mit vereinten Kräften und der Moving-Map auf dem PDA klappt das bestens. Der Kühlturm von Gösgen rückt in Reichweite, wir stürzen uns lustvoll auf ihn hinunter. In Erwartung eines tollen Aufwindes.

AKW Gösgen: der beste Aufwind weit und breit.

Die Kunst-Thermik arbeitet einwandfrei. Der Aufwind ist, wie schon oft von anderen Segelfliegern beschrieben, etwa so turbulent wie ein mittlerer Föhnsturm. Wenn man darauf achtet, die Querlage und den Horizont einigermassen zu halten, steigt das Flugzeug aber auch ohne Fahrtanzeige oder Variometer recht gut. Das Vario gibt vor lauter Steigen zeitweise keine Töne mehr von sich, die Fahrtanzeige springt auch mal von 50 auf 200 km/h auf und ab. Öffnet man den Steigekreis etwas, hat man zwar beide Anzeigen wieder, dafür steigt man deutlich schlechter. Deshalb entscheiden wir uns für’s enge Eindrehen und sind im Nu auf 1’900 Meter. Der Heckballast, den wir vor dem Start eingefüllt haben, macht sich bezahlt. Der Duo lässt sich ohne Kraftaufwand ausgeglichen auch im langsamen Geschwindigkeitsbereich sauber fliegen. Sofort machen wir uns auf den Weg zur ersten Wende beim Flugplatz Olten. Ruedi fräst einwandfrei durch den grünen Zylinder und dreht die Nase des Duo Discus bereits wieder nach Südosten, Richtung Beromünster, dem nächsten Wendepunkt.

Wir kommen weiter gut voran, halten uns ans oberste Höhenband und picken aus der reichen Auswahl von Aufwinden die mutmasslich besten heraus. Rasch gleiten wir am Flugplatz Triengen mit seiner verländerten Piste vorbei und halten auf Beromünster zu. Dort steht direkt im Wendepunkt-Zylinder eine schöne Wolke. Praktisch – das nehmen wir doch gerne mit. Bei Hochdorf fragt Ruedi bei Emmen nach einer Durchfluggenehmigung. Die haben dort aber keinen Betrieb. Damit steht der nächste Entscheid an.

Höhrohne oder Goldküste?

Direkt auf Kurs steht ein kleines Wolkenbändchen bis etwa an den Etzel. Sieht eigentlich ganz gut aus. Auch der Einstieg bei Menzingen ins höhere Voralpengebiet würde wohl gelingen. Noch schöner sieht aber die Wolkenlage am Albis und über Meilen aus. Sie lässt uns den Entscheid für den kleinen Umweg über den Zürichsee fällen. Über Hausen drehen wir nochmals hoch, auf der andern Seeseite bei Meilen haben wir aber anfangs Schwierigkeiten, unter dem auseinanderfallenden Cumulus gutes Steigen mit mehr als einem Meter zu finden. Also tauchen wir erstmals heute ins mittlere Höhenband ab und fliegen stur auf Kurs weiter. Bei Stäfa findet auf dem Hügel ein Schwingfest statt. Dort drehen wir hoch über dem Bratwurst-Stand ein und können für heute den letzten nötigen Aufwind zentrieren. Mit über zwei Metern / Sekunde klettern wir auf Endanflughöhe für die Kirche Rieden.

Mit über 200 km auf den letzten Abschnitt.

Im Zürcher Oberland stehen auf Kurs wunderbare, hohe Cumulus-Wolken. Da drunter fräsen wir so rasch wir können, nach Rieden und schiessen nach einem schönen, rassigen Endanflug mit 220 km / h durch den Ziel-Zylinder über dem Dorf. Wir sind exakt zwei Stunden unterwegs gewesen. Das würde dann geschätzt einen Mittelwert von rund 90 km / h für die 182 km ergeben. Mal sehen, wie’s den andern ergangen ist. Zum Auslaufen fliegen wir noch gemütlich an den Rossberg, um dann zeitig zu landen. Am Abend ist der Champions-League-Final Barcelona gegen Manchester. Der ist heute ausnahmsweise einmal wichtiger als das gemeinsame GliderCup-Dinner. Aber nächstes Mal helfen wir dann auch wieder kräftig mit beim Fliegerlatein 🙂

Landschaden.

Wie sich nachträglich herausstellt, geht die Aufgabe nicht für alle GliderCup-Teilnehmer gleich rund über die Bühne. Marc Angst sucht sich eine schöne Wiese zwischen den Flugplätzen Beromünster und Buttwil für einen ungeplanten Besuch aus, der aber soweit schadlos abläuft. Anders Urs Oettli, der in Hausen zwar auf dem Flugplatz die Schweizer Meisterschaft besuchen will, aber vor lauter Aufregung das Rad im Flieger lässt und eine weisse Spur auf den Asphalt zieht 🙁